Einsatz von Regalbediengeräten für eine flexible Rohbaufertigung in der Automobilindustrie
Gab es mit dem Erscheinen des Golf 1 nur 2 Karosserieformen, so sind es heute auf der Basis der Modularen Querbaukasten im VW Konzern mehr als das zehnfache. Eine immer breitere Variantenvielfalt von Produktfamilien stellt die Fertigung im Automobilbau vor neue Aufgaben. Das klassische Fließband wird in Zukunft weiter von großer Bedeutung sein. Nur durch diese Technologie ist es möglich in kurzer Zeit und zu den geringsten Kosten die Massenproduktion abzudecken. Dem entgegen stehen jedoch Anlagen, welche sich flexibel auf das Produkt einstellen. Die Forderungen des Marktes, nach einer derartig flexiblen Fertigung zum Beispiel in der Automobilindustrie, verlangt nach neuen Technologie und Konzepten beim Materialfluß in einer Fabrik.
Dabei existieren grundsätzlich 2 Varianten, die erste Variante lässt das Produkt flexibel durch die Fertigung von Insel zu Insel fahren. Dabei hat jede Insel seine eigene Funktion. Das Produkt kann dabei auch Inseln, welche für das jeweilige Produkt nicht benötigt werden auslassen. Ein großer Nachteil dieser Lösung ist jedoch der Durchsatz, welcher durch längere Wege und geringe Verfahrgeschwindigkeiten reduziert wird.
Die zweite Variante lässt das Produkt in einer Linie analog dem Fließband fahren. Die Peripherie der Linie stellt sich flexibel auf das jeweilige Produkt ein. Diese Variante bietet den Vorteil, dass die Linie weiter mit hohen Durchsatz betrieben werden kann und somit die Kosten für die Fertigung gering sind. Um eine flexible Peripherie zu realisieren ist ein seitlicher Platz an der Linie notwendig. Je nach Aufgabe werden hierfür auch zusätzliche Maschinen und Vorrichtungen benötigt.
Die vor 26 Jahren gegründete Axmann Fördersysteme stellt sich unter anderem seit 11 Jahren genau dieser Problematik und entwickelte dabei diverse Konzepte zur flexiblen Materialversorgung an Fertigungslinien. Somit zählt sie zu einem der erfahrensten Hersteller in diesem Bereich. Die bisher größte Referenzanlage zur Axmann Lösung wurde im Zeitraum 2015 bis 2016 im Porsche Werk Leipzig installiert. Diese Anlage dient zur Karosseriefertigung von Porsche und Bentley Modellen. Insgesamt wurden hier 12 Bereiche des Rohbaus von 30 bis 2.500kg mit einem flexiblen Materialanstellsystem versehen.
Die größte Herausforderung bestand dabei 9 verschiedene Schweißwerkzeug für Seitenwände mit einer Masse von jeweils 2.500kg innerhalb der Taktzeit der Linie auszutauschen, so dass die Anlage alle im Werk Leipzig gefertigten Modelle ohne Zeitverlust fertigen kann. Axmann entschied sich dies durch sogenannten Regalbediengeräte zur realisieren. Hierzu wurde ein eigenes Produkt entwickelt, gefertigt und vor Ort installiert. Das Regalbediengerät übernimmt dabei die direkte Beschickung der Schweißzelle mit dem Werkzeug an der Linie. Alle Varianten des Werkzeuges befinden sich platzsparend in 3 Ebenen und 3 Zeilen neben der Anlage. Zum Erreichen der geforderten Taktzeit ist es notwendig, dass Regalbediengerät mit einer Geschwindigkeit von bis zu 1m/s zu verfahren. Derart hohe Lasten und Geschwindigkeiten verlangen viel Energie, aber auch hier hat Axmann zusammen mit namhaften Antriebsherstellern Lösungen erarbeitet. So sind die Axmann Regalbediengeräte mit einer Energierückspeisung bzw. einer Pufferbatterie versehen. Diese beiden Systeme nutzen die Bremsenergie des elektrischen Antriebs beim Beschleunigen des Regalbediengeräts wieder, so das der Wirkungsgrad der Anlage deutlich erhöht wird.
Das flexible Rohbaukonzept Porsche verlangt nicht nur nach Regalbediengeräten sondern auch extrem kompakteren Lösungen für das Speichern von Karosseriekleinteilen. Hierzu hat Axmann einen bis unter die Hallendecke reichenden Speicherturm entwickelt, welcher z.B. durch einen Werker händisch bestückt wird. Die Entnahme der Bauteile erfolgt automatisch durch einen Roboter, welcher die Teile am Fahrzeug verbaut. Das komplette Materialhandling im Turm wurde durch Axmann realisiert. Das Grundgerüst des Turms ist gleichzeitig Führung für das Hubwerk, so dass mit minimalen Materialeinsatz eine optimale Funktion gewährleistet wird.
Hintergrund
"Hidden Champions" sind all die Unternehmen, die auf ihrem Gebiet marktführend und zukunftsweisend sind, aber der breiten Bevölkerung weitestgehend unbekannt sind.
Einige dieser "Meister" haben wir in der Region Leipzig und dem Leipziger Umland, sie sollen in der Ringvorlesung "Hidden Champions", die in Zusammenarbeit mit dem VDI Bezirksverein Leipzig ab 18.10.2017 an der HTWK angeboten wird, den Studenten vorgestellt werden.
Mit der Konzeption und Durchführung dieser Ringvorlesung verbindet der VDI Bezirksverein Leipzig e. V. die beiden Schwerpunkte seiner Arbeit – Stärkung der Wirtschaftsregion Leipzig und die Förderung des Ingenieurnachwuchses – miteinander.